Kilimanjaro Part 3

Der anstrengendste Tag meines Lebens

Am dritten Tag unserer Tour sollten wir zum ersten Mal die Auswirkungen der Höhe auf den Körper zu spüren bekommen, doch der Morgen begann zunächst sehr idyllisch. Der im letzten Teil angesprochene Blick auf den Kilimanjaro Gipfel lies sich heute in seiner vollen Pracht genießen.

<< das war Tag 2: „Habari za asubuhi“

Der Himmel war wolkenklar und die Sonne erhob sich direkt über dem Gipfel. Unter diesen Umständen brachen wir um 8:00 Uhr nach der morgendlichen Waschroutine und einem ausgiebigen Frühstück frisch und erholt auf. Trotz des sonnigen Morgens bereiteten wir uns gedanklich auf die heutige Etappe vor, auf der wir zum ersten Mal die 4500 m Höhe durchbrechen sollten. Dies bedeutete zum Einen natürlich die Notwendigkeit wärmerer Kleidung und heißen Tees, aber auch die Ungewissheit, wie der Körper die Höhe verarbeitet.

Die ersten drei Stunden führten uns durch eine trockene Landschaft mit vielen verteilten kleineren und größeren Geröllblöcken stetig bergauf. Konditionell ging es mir zu dieser Zeit noch sehr gut, doch ich hatte bereits in den letzten Tagen leichte Probleme mit dem Rücken und den Schultern, was ich auf meine Haltung zurückführte. Mir erschien es deshalb eine gute Idee zu sein, sich die Haltung der Guides abzuschauen. Ich konnte beobachten, dass sie die Arme sehr viel weniger bewegten als ich. Sie verschlugen sie entweder vor dem Körper oder steckten sie in die Hosentaschen. So tat ich es auch und konnte tatsächlich eine Erleichterung verspüren.

Kilimanjaro Tag 3
Auf dem Weg zwischen Shira Camp und Barranco Camp

Nach besagten drei Stunden wurde die Landschaft etwas lebhafter. Wir erreichten eine Weggabelung, die in der linken Richtung zum in 4600 m Höhe gelegenen Lava Tower führte und in der rechten auf einem direkteren Weg zum nächsten Camp. Wir entschieden uns für den linken Weg, da uns dies bedeutend zur Akklimatisierung helfen sollte. Bis zu diesem Punkt hatten wir noch keine Erscheinungen zu beklagen, doch das sollte sich bald ändern. Es war wirklich erstaunlich, wie die magische 4500m-Grenze zu spüren war. Bei Tommy setzten direkt nach der Gabelung starke Kopfschmerzen ein und er verlor den Appetit. Bei mir verhielt es sich nicht ganz so schlimm, doch ich spürte einen gewissen Druck auf dem Kopf.

In den nächsten zweieinhalb Stunden umrundeten wir auf einem immer wieder auf- und abwärts führendem Weg einen Teil des Kilimanjaro-Gipfels. Langsam waren auch erste Ermüdungserscheinungen in den Muskeln zu spüren, aber ich konnte mich glücklich schätzen, wenigstens nicht mit Kopfschmerzen kämpfen zu müssen. Tommys Kopfschmerzen nahmen immer wieder zu und ab, aber verschwanden nicht mehr vollständig.

Gegen 15:00 erreichten wir das Barranco Camp in knapp 4000 m Höhe. Direkt vor dem Camp erstreckte sich in beeindruckender Breite und Höhe die Barranco Wall, die wir am nächsten Tag zu bezwingen hatten. Doch erst einmal nutzten wir den Nachmittag, um uns zu erholen. Bei mir setzten dann auch leichte Kopfschmerzen ein, doch diese konnte ich mit viel Wasser und Tee im Rahmen halten. Bei einem Blick über das Camp bemerkten wir, dass wir bei weitem nicht die einzigen waren, die mit den Gegebenheiten zu kämpfen hatten. Einige mussten sich unterwegs bereits mehrfach übergeben.

Kilimanjaro Tag 3
Unser Zelt vor der Barranco Wall

Tag 4 begann gewohnt, jedoch deutlich weniger erholt. Da wir uns bei der Buchung für die kürzeste Variante der Machame Route entschieden haben, mussten wir an diesem Tag das nächste Camp überspringen und direkt weiter zum Base Camp gehen. Am Karango Camp legten wir lediglich eine längere Pause ein und bekamen ein warmes Mittagessen. Während wir in Bewegung waren, hatten wir weniger Probleme mit Kopfschmerzen, bei längeren Pausen wurden diese etwas stärker, was sich auch auf unseren Appetit auswirkte. Auch wenn es uns deshalb immer schwerer viel zu essen, versuchten wir uns möglichst viel einzuverleiben, was uns im nachhinein auch spürbar gut tat.

Es wurde deutlich bergiger und der Weg führte uns immer wieder bergauf und bergab, was sehr kräftezehrend war. Außerdem wurde es immer kälter. Wir trugen am Nachmittag eine lange Hose, ein Funktionsshirt, einen Fleece-Pullover, eine Regenjacke und dünne Handschuhe. Kurz vor dem Base Camp schneite es sogar für einen Moment und das Camp lag in dichtem Nebel. Noch einmal mussten wir uns zum Essen überwinden, dass ging es früh in den Schlafsack. Um 23:00 Uhr klingelte wieder der Wecker, da die Gipfelbesteigung für 0:00 Uhr angesetzt war.

Die darauf folgende Nacht war kurz. Zum Einen bedingt durch die Aufregung, zum Anderen die Ungewissheit, ob und wie man den Aufstieg überstehen würde. Um 23:30 Uhr gab es dann “Frühstück”. Dass wir uns beim Essen in letzter Zeit etwas quälen mussten, war ja nichts neues mehr, deshalb spielte auch die ungewohnte Uhrzeit keine besondere Rolle. Natürlich war es aber in kompletter Finsternis noch etwas schwieriger in Gang zu kommen. Gut ausgerüstet mit Wasser, Tee und Energieriegeln machten wir uns wie geplant pünktlich um 0:00 Uhr auf den Weg und damit waren wir nicht die ersten. Ein paar kleiner Lichter waren bereits den Berg hinauf zu sehen – sie waren schätzungsweise eine Stunde früher gestartet. Wir fragten uns, warum die letzte Etappe unbedingt um Mitternacht starten musste, aber das hatte bestimmte Gründe. Erstens biete dies einen psychologischen Mehrwert, da man unterwegs nicht den Gipfel sieht und somit auch nicht deprimiert wird, da man sich gefühlt kein Stück nähert. Zweitens solle der Moment des Sonnenaufgangs auf dem Gipfel unbeschreiblich sein und zu guter Letzt sei dies sowieso der längste Tourentag, da wir nach der Gipfelbesteigung nochmals fast 2000 Höhenmeter nach unten in das nächste Camp weiterziehen müssten.

Das Wetter war bestens. Es war eine sternenklare Nacht und es bot sich eine atemberaubende Aussicht. Man konnte gleichermaßen die Sterne am Himmel und die Lichter der Dörfer im Tal sehen – und in der Mitte zog sich eine Kette aus leuchtenden Stirnlampen langsam den Berg hinauf. Besonders lange konnte man diese Atmosphäre allerdings nicht genießen. Es ging ununterbrochen steil bergauf und der Weg durch Geröll und teils große Felsblöcke erschwert. Besonders wichtig war hier eine koordinierte Bewegung. Man war nicht mehr in der Lage Schritte von einer größeren Länge als 30 cm zu machen und musste sehr darauf achten, nicht auf dem Untergrund wegzurutschen. Dennoch schienen wir gut in der Zeit zu liegen. Wir konnten zuvor abermals ein paar größere Gruppen überholen, was uns gut tat, unser eigenes Tempo zu finden. Das würde zu viel Kraft verschwenden. Ich schätzte meine verbleibende Kraft nach drei Stunden nur noch auf etwa 40% ein und wir mussten zunehmend mehr Pausen einlegen. Abgesehen von meinen konditionellen Defiziten ging es mir aber den Umständen entsprechend sehr gut. Tommy hatte da leider weniger Glück. Er hatte sich im Vorfeld körperlich besser vorbereitet als ich, doch während dieses Auftritts plagten ihn wieder starke Kopfschmerzen und Schwindelanfälle. Er verglich das Gefühl später mit Betrunkenheit.

Nach ungefähr sechs Stunden dieser Qualen erreichen wir Stella Point (5756 m), den Kraterrand des Kilimanjaro. Zuvor hatte sich unsere Schrittlänge bereits auf eine halbe Fußlänge verkürzt, doch dieser erste bedeutende Meilenstein setzte bei mir ganz neue Kräfte frei. Wir legten nochmals eine kurze Pause ein, um dann die letzten ein- bis eineinhalb Stunden zum höchsten Punkt, dem Uhuru Peak (5895 m), in Angriff zu nehmen. Der Anstieg wurde deutlich flacher und die Sonne stieg langsam über dem Kraterrand auf, was wieder ein wahnsinniges Panorama bot. Bei Tommy verschlechterte sich der Zustand leider weiter, weshalb er die Umgebung nicht so sehr genießen konnte. Teilweise hatte er ernsthafte Probleme geradeaus zu laufen. Am Gipfel angekommen schossen wir natürlich die obligatorischen Beweisfotos und machten uns dann möglichst schnell wieder auf den Weg ins Base Camp. Damit sich Tommys Zustand wieder verbesserte, musste er möglichst schnell wieder unter 4500 m. Aber auch sonst wird geraten, sich nicht länger als 20 Minuten auf dem Gipfel aufzuhalten. Um den Abstieg möglichst schnell überwinden zu können, gibt es parallel zu den engen Serpentinen des Aufstiegs einen breiten Schotterweg, den man auf den Hacken mit großen Schritten teil herunter rutschen und gehen konnte. Dies ging zwar schnell, erforderte aber auch hohe Konzentration und Körperspannung, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren oder gegen gelegentlich auftretende größere Steine zu stoßen. Tommy wurde auf diesem Weg von Kim gestützt, der ihn so sicher und schnell nach unten steuern konnte. Auf diese Weise erreichten wir etwa zwei Stunden später das Base Camp, in dem wir eineinhalb Stunden Zeit zum Ausruhen bekamen. Anschließend liefen wir weitere dreieinhalb Stunden bergab in das auf 2850 m liegende Mweka Camp. Wir waren natürlich sehr erschöpft aber die niedrigere Luft und der Gewinn an Sauerstoff tat uns spürbar gut. Nachträglich habe ich diesen Tag einmal nachgetrackt. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: 13 Std. unterwegs, 3 Std. Pause, 1224 Höhenmeter bergauf, 2762 Höhenmeter bergab, 16.17 km Distanz. Mit Abstand der körperlich anstrengendste Tag meines Lebens!

Kilimanjaro Tag 4
Tommy und Max auf dem Gipfel des Kilimanjaro

Am darauffolgenden Morgen lag nur noch ein sehr kurzes Stück vor uns. Nach dem Frühstück sang unser Team zum Abschied den berühmten Kilimanjaro für uns. Zwei Stunden später erreichten wir das Mweka Camp auf 1800 m Höhe, wo wir von einem Jeep abgeholt und zurück zum Hotel gebracht wurden.

Zusammenfassend war dieses Erlebnis natürlich unverwechselbar. Auch wenn ich diese Strapazen nicht sofort noch einmal erleben muss, ist es ein tolles Gefühl, es geschafft zu haben. Vor allem die Erkenntnis, dass die Höhe für mich nicht das größte Problem darstellte, zeigt mir, dass ich theoretisch zu weiteren Trips dieser Art im Stande wäre – und das ist ein gutes Gefühl!