Schulz & Böhmermann

Der dunkelbraune Tisch, der Qualm von Zigarren und Zigaretten und das leicht verblasste gräuliche Bild sind zurück im Fernsehen. Rund drei Jahre nach dem Ende von “Roche & Böhmermann”, hat ZDFneo diese Szenerie wieder aufleben lassen und startet das Format mit Olli Schulz und Jan Böhmermann neu.

Zu Gast waren in der ersten Folge mit Felix “Kollegah” Blume, Jörg Kachelmann, Gert Postel und Anika Decker vor allem drei testosterongeladene Männer, denen wichtig war, dass sie richtig verstanden wurden. Anika Decker kam in dieser Runde – wie auch von Schulz und Böhmermann eingestanden – etwas zu kurz.

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Felix “Kollegah” Blume (Quelle: ZDFneo)

“Und du hast sächsischen Dialekt? Der Boss nicht, er hat sechs Ischen, die er leckt.”

Olli Schulz war primär auf den Rapper Kollegah fixiert. Er machte keinen Hehl daraus, großer Fan von dessen sehr einfallsreichen Punchlines zu sein und kann diese auf Zuruf zitieren. Während der Gesprächsrunde bleibt Kollegah seiner Rolle treu, kann aber selbst über seine Figur schmunzeln. Durch ein paar präzise Fragen schafft er als einziger Gast, ein klein wenig Dialog herzustellen.

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Gert Postel (Quelle: ZDFneo)

“Jeder Depp kann ein forensischer Psychiater werden!”

Der überwiegende Teil der Sendung war etwas aufgeregt und unruhig. Das lag zum Einen an der aufgedrehten Art von Olli Schulz, aber auch zu großen Teilen an dem als Hochstapler zur Freiheitsstrafe verurteilten Gast Gert Postel. Als gelernter Postbote bewarb er sich als Oberarzt in einer psychiatrischen Klinik und schaffte es sogar zum stellvertretenden Klinikleiter. All das, wie sich durch das Nachhaken von Kollegah herausstellt, aus Rache für den Suizid seiner Mutter, für den er ihren damaligen Psychiater verantwortlich macht. Auf die Fragen von Olli und Jan reagierte Postel immer wieder sehr gereizt. Er verweigerte sich den meisten Fragen der Moderatoren und bezeichnete sie immer wieder als “langweilig und zum Gähnen”. In der aufgeheizten Stimmung fliegen immer wieder unterschwellige Beleidigungen hin und her. Schulz und Böhmermann nehmen im Laufe der Zeit etwas Abstand von Postel, mit dem zu keinem Zeitpunkt ein wirkliches Gespräch zu Stande kommt, und überlassen dem Zuschauer die Interpretation seiner Person.

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Jörg Kachelmann (Quelle: ZDFneo)

“Falschbeschuldigungsopfer” Jörg Kachelmann

Jörg Kachelmann lebt in erster Linie seine Opferrolle aus. Ihm ist eine gewisse innerliche Wut anzumerken, die er zwar zurückweist, aber nicht widerlegen kann. Immer wieder betont er, was er durch den monatelangen Prozess verloren hat und was es ihn immer noch kostet. Er nutzt die Plattform aber gerne, um so oft wie möglich sein neues Wetterportal zu bewerben, das zurzeit sein Hauptberuf ist.

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Anika Decker (Quelle: ZDFneo)

Die Frau, die Til Schweiger berühmt gemacht hat…

…ist Anika Decker. Sie feierte als Drehbuchautorin große Erfolge mit Filmen wie “Zweiohrküken”, “Keinohrhase” und “Traumfrauen”. Mehr Zeit, als ein paar Anekdoten aus der Zusammenarbeit mit Schweiger und ihrer fehlenden Affinität zu Krimis zu erzählen, bleibt ihr aber leider nicht.

Wie bereits in der früheren Version der Talkrunde, bleiben die beiden Moderatoren am Ende der Sendung noch einen kurzen Moment sitzen, um das Gespräch Revue passieren zu lassen. Auch sie selbst geben zu, dass “noch etwas Luft nach oben” sei.

Von anderen Medien wurde vor allem Olli Schulz kritisiert und nicht als würdiger Nachfolger von Charlotte Roche empfunden. Mit ihm würde eine “charmante Gegenstimme zu Böhmermanns Sarkasmus” fehlen, schreibt beispielsweise die FAZ. Meiner Meinung nach waren dagegen die Fragen von Roche eher flach, wohingegen Schulz kein Blatt vor den Mund nimmt und fragt, was ihm gerade einfällt. Das mag manchmal wie kindischer Humor rüberkommen, doch gerade diese “kindische Ehrlichkeit” gefällt mir bei ihm besonders. Aber darüber kann sich jeder eine eigene Meinung bilden.

>> “Schulz & Böhmermann” in der ZDFmediathek